Pressebericht HNA 17.10.2023

Dienstag, 17. Oktober 2023, Mündener Allgemeine / Sport

„Man muss so einiges einstecken“

Interview mit Hemelns neuem Rekordspieler Tobias Kühne

VON MANUEL BRANDENSTEIN

Stets torgefährlich: Auch mit über 40 trifft Tobias Kühne pro Saison regelmäßig im zweistelligen Bereich. Den bisherigen Vereinsrekord an Einsätzen hielt übrigens Andreas Baake (669). Foto: Manuel Brandenstein

Hemeln – Der treue Charly war in der Fußball-Bundesliga eine echte Marke. 602-Mal lief Körbel auf und das ausschließlich für die Frankfurter Eintracht. Vergleichbares ist mittlerweile auch im Amateurfußballs sehr selten geworden. Wir haben uns mal umgehört und sind auf Tobias Kühne gestoßen. Der 42-Jährige absolvierte am Sonntag gegen die Zweite der SG Niedernjesa seinen 670. Einsatz für Jahn Hemeln (neuer Vereinsrekord). Wir haben mit ihm gesprochen.

Herr Kühne, wie fühlt man sich als Rekordspieler seines Vereins?

Ich bin schon stolz drauf und habe mich auch über ein Geschenk meiner Mannschaft gefreut. Wenn wir jetzt noch nicht verloren hätten, wäre es ein perfekter Tag gewesen. Aber wir haben trotzdem eine gute Leistung gebracht.

Haben Sie für andere Sportler einen Tipp, wie man es schafft, über so viele Jahre am Ball zu bleiben?

Das A und O ist natürlich, dass man keine großen Verletzungen hat. Bis auf ein paar Bänderrisse bin ich immer gut davongekommen. Aber das ist ja auch Glückssache. Auf jeden Fall sollte man sehr regelmäßig trainieren. Und das tue ich auch mit 42 Jahren noch gern. Vielleicht liegt es auch in den Genen, denn mein Vater, der Handballer war, hat in Hemeln gespielt, bis er 46 war.

Als Stürmer ist man ja auch zahlreichen Fouls der Verteidiger ausgesetzt. Wie kann man das über die vielen Jahre am besten überstehen?

Ich bin da extrem klassisch und setze vor allem auf die althergebrachten Schienbeinschoner inklusive Knöchelschutz. Mit den aktuell bei den Profis so beliebten Mini-Schützern kann ich nichts anfangen. Ich habe übrigens seit 20 Jahren auch meine Schuhmarke nicht gewechselt. In den Puma King kriege ich einfach nie Blasen. Da kannst du laufen wie ein junger Gott (lacht).

Mit den kleinen Schonern hätten Sie im harten Alltag der Kreisklasse Ihre Rekordmarke wohl kaum erreicht – oder?

Ja, man muss mittlerweile, da man nicht mehr ganz so schnell ist, einiges einstecken. Und auch früher war die eine oder andere Blutgrätsche dabei. Um mich dafür zu rüsten, hatte ich im Training immer bewusst gegen unseren härtesten Verteidiger gespielt. Da konnte mich am Wochenende im Spiel dann nichts mehr schocken.

Sie sind Ihrem Verein im Herrenbereich immer treu geblieben. Gab es nie Angebote anderer Klubs?

Einmal stand ich kurz vor einem Wechsel zum Tuspo Gimte. Ich wollte damals mal etwas höher spielen. Aber dann haben mich meine älteren Mitspieler – milde gesagt – so lange bearbeitet, bis ich abgesagt habe.

Apropos höher spielen: Wohin geht bei Ihnen der Blick, wenn es um Profifußball geht?

Ich finde Union Berlin ganz gut, ansonsten erlebe ich den großen Fußball aber immer mehr abgehoben. Das Interesse wird geringer, was wir übrigens auch an unseren guten Zuschauerzahlen bei unserer Ersten sehen. Früher sind viele nicht gekommen, wenn im Fernsehen Klassiker wie Gladbach gegen Dortmund liefen. Den Fußball in den unteren Klassen finde ich auch ehrlicher.

Und wie lange können Dorfvereine wie Jahn Hemeln als eigenständige Klubs noch diesen Mythos bewahren?

Eigenständig zu bleiben, ist für uns ein Mega-Aufwand und eine Herausforderung. Aber wir versuchen halt, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich jeder wohlfühlt, wobei wir aber auch die sportliche Herausforderung annehmen. Bei uns sollen weiter die Hemelner Jungs Fußball spielen. Und bis auf wenige Ausnahmen haben wir das bislang geschafft.

ZUR PERSON

Tobias Kühne (42) spielt seit Ende der 1990er Jahre durchgehend für die Seniorenmannschaften des TSV Jahn Hemeln. Seit sechs Jahren ist er auch Fußball-Spartenleiter. Er ist verheiratet und hat eine zweijährige Tochter. In der Freizeit ist er mit seiner Trompete auch im Hemelner Orchester Musikexpress aktiv. Beruflich kümmert er sich bei einem österreichischen Verpackungsunternehmen um Großkunden.