Mittwoch, 10. Juli 2024, Mündener Allgemeine / Titelseite & Lokales
Ein Tag mit Benjamin Bolte: Geschichten eines Fährmanns auf der Weser
Seit fast 20 Jahren fährt Benjamin Bolte die Fähre, die zwischen Veckerhagen und Hemeln pendelt. Schon frühmorgens, wenn der Nebel über dem Wasser liegt, beginnt seine Schicht. Ohne Motor, nur mit dem Druck des Wassers, bringt er Menschen und Fahrzeuge sicher über den Fluss. Wir haben den Fährmann der Weser-Fähre „Veckerhagen“ begleitet und erfahren, wie er die Überfuhr pünktlich und verlässlich steuert, wie er mit Wetterkapriolen umgeht und warum diese Arbeit für ihn eine echte Berufung ist, die ihn Tag für Tag mit der Natur verbindet und ihm Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen ermöglicht. bru
Drei Minuten Urlaub
Fährmann Benjamin Bolte auf seiner Fähre „Veckerhagen“
VON SVENJA HECKEROTT
Veckerhagen – Es ist noch nebelig, als die Schicht von Fährmann Benjamin Bolte um 6.30 Uhr losgeht. Die Fähre „Veckerhagen“, die auf der Weser zwischen Veckerhagen und Hemeln fährt, muss nur losgebunden werden und los geht es.
„Wichtig ist, dass sie immer pünktlich startet, denn die Leute wollen zur Schule oder zur Arbeit“, sagt Benjamin Bolte. Hauptberuflich fährt er seit 19 Jahren die Fähre. „Ich war aber schon von meiner Kindheit an auf Fähren, weil mein Vater auch Fährmann war“, berichtet der 40-Jährige, der seit seiner Geburt in Reinhardshagen lebt.
Bereits zur ersten Fahrt warten eine Autofahrerin und ein Fahrradfahrer am Ufer, um auf die andere Seite in Richtung Veckerhagen gebracht zu werden. Radfahrer Dirk Kühen fährt seit 37 Jahren mindestens einmal am Tag mit der Fähre. „Bei Hochwasser und mit Eisschollen habe ich hier schon Abenteuer erlebt“, erinnert er sich. Nach drei Minuten ist die Fahrt auch schon vorbei.
„Den Fehler, bei Eis zu fahren, macht man nicht zweimal“, sagt Bolte. Bei Frost würde das Wasser geleeartig werden. Die Fähre könne mitten in der Fahrt stehen bleiben. Und dann ist es die mühsame Aufgabe des Fährmanns, mittels einer Eisenstange die Fähre bis ans Ufer zu schieben. Ansonsten ist die Fähre bei jedem Wetter und jeden Tag in Betrieb. Einzig auf den Wasserstand muss Benjamin Bolte immer achten. Bei Hochwasser und einem Stand von maximal 3,20 Metern kann die Fähre nicht mehr fahren. An diesem Tag hat die Weser einen Pegel von 1,46 Metern, stellt der 40-Jährige fest.
Übrigens fährt die Fähre ohne Motor. Sie schwimmt schräg zur Strömung der Weser und wird allein durch den Druck des Wassers von einem Ufer zum anderen geschoben. Dazu ist sie mit einem Seil verbunden, das zwischen Veckerhagen und Hemeln gespannt ist.
Bei jedem Wetter
„Es gibt kein schlechtes Wetter“, findet der Fährmann. Bei Regen oder Kälte könne die richtige Kleidung alles ausgleichen. Nur bei Hitze sei es schwierig, wobei Bolte und seine Haut gegen die Sonne und ihre Auswirkungen schon abgehärtet sind.
Wie oft die Fähre an einem Tag fährt, ist wetterabhängig. Wenn es regnet, gibt es oft weniger Fahrgäste. „Bei schlechtem Wetter muss man beim Warten auch mal Zeitung lesen“, erzählt Bolte.
In den ersten Stunden kommen immer wieder Fußgänger, Fahrrad- und Autofahrer zu ihm auf die „Veckerhagen“. Ansonsten nimmt er auch Motorradfahrer, Tiere und sogar Lastwagen mit. Insgesamt dürfen mit der Fähre 16 Tonnen oder 45 Personen transportiert werden. Auch wenn die Fahrten immer nur kurz sind, haben sie auf die meisten Gäste eine entspannende Wirkung. „Das sind drei Minuten Urlaub“, findet Bolte. Für ihn hat sein Beruf viele Vorteile: „Man ist immer an der frischen Luft, sein eigener Herr und kommt mit den unterschiedlichsten Menschen in Kontakt.“ Nachteilig sei für manche, dass auch an den Wochenenden und Feiertagen gearbeitet werden muss. „Ich sehe allerdings keinen Nachteil darin. Wenn man mich ins Büro stecken würde, wäre das nicht meine Welt.“ Seine Familie könne ebenfalls mit dem Job umgehen. Bolte ist verheiratet und hat eine Tochter im Schulalter.
Nur mit Patent
Mit ausgeklappten Rampen misst die Fähre 24 Meter und ist 6,50 Meter breit. Es gibt eine Toilette für den Fährmann und das Fährenhäuschen verfügt über eine Heizung. Die Fähre selbst hat der Fährmann gepachtet. Sie ist Eigentum des Landes Hessen. Damit der Betrieb immer läuft, beschäftigt Bolte einen Festangestellten und einen Minijobber. Im Sommer wird in zwei Schichten bis um 19.30 Uhr gearbeitet. Um die Fähre fahren zu dürfen, benötigt Bolte das Binnenschifffahrtspatent F. Außerdem musste er im Rahmen einer Ausbildung nachweisen, dass er bereits mehrere Stunden eine Fähre gefahren ist. Auch musste Bolte eine schriftliche und eine praktische Prüfung absolvieren. Während bei Erwachsenen eine Fahrt wie im Flug vorbeigeht, bleibt die Zeit fast stehen, als eine Gruppe Kindergartenkinder die Fähre betritt. Alles wird inspiziert. Auch damit hat Bolte Erfahrung und wacht stets mit beiden Augen über seine Gäste. Bis zum Ende seiner Schicht ist es nicht mehr weit.
Infos zu sämtlichen Fahrtzeiten gibt es unter fähre-veckerhagen.de