Pressebericht HNA 25.07.2020

Samstag, 25. Juli 2020, Mündener Allgemeine / Titelseite

Neue Serie: Gasthäuser im Altkreis Münden

Foto: Thomas Schlenz

Wenn draußen die Sonne scheint, ist es eines der Top-Ausflugsziele im Altkreis: das Gasthaus „Zur Fähre“ im Mündener Ortsteil Hemeln. Rad- und Motorradfahrer aus nah und fern geben sich auf der von alten Bäumen geschützten Terrasse mit Blick auf die Weserfähre nach Veckerhagen ein Stelldichein. Obwohl immer mehr Dorfgaststätten in Deutschland aufgeben, gehört ein Gasthaus nach wie vor fest zum Ortsbild vieler Dörfer in der Region. Aus diesem Grund haben wir einige der Gasthäuser im Altkreis besucht und stellen sie in loser Folge vor. Den Auftakt macht das Gasthaus „Zur Fähre“ in Hemeln (hinten rechts im Bild). tsz

Samstag, 25. Juli 2020, Mündener Allgemeine / Lokales

Das lauschige Plätzchen am Fluss

GESCHICHTEN AUS DEM GASTHAUS – Zur Fähre in Hemeln

VON THOMAS SCHLENZ

Führt den Betrieb in dritter Generation: Andreas Bohle vor dem Eingang des Gasthauses „Zur Fähre“ in Hemeln. Foto: Thomas Schlenz

Gasthäuser gehören zum Bild eines Dorfes dazu. Und doch sinkt die Zahl der Gaststätten im Land. In loser Folge stellen wir Gasthäuser aus dem Altkreis Münden vor. Heute: Zur Fähre in Hemeln.

Hemeln – An der schmalen Straße zur Weserfähre nach Veckerhagen steht ein altes Fachwerkhaus. „Zur Fähre“ heißt es dort schlicht in Frakturschrift über dem Eingang. Durch eine wuchtige Tür geht es hinein. Rechter Hand öffnet sich die Gaststube.

Mit den dunklen Holzmöbeln wirkt es fast, als sei hier die Zeit stehen geblieben. Gedanken an lange Kneipenabende, an lustige Gespräche und Geselligkeit werden wach. „Was darf es sein?“, fragt Andreas Bohle hinter dem Tresen.

Der 51-Jährige führt die Gaststätte bereits in dritter Generation. „Der Großvater hat das Haus 1933 gekauft“, erzählt Bohle stolz. Eigentlich habe er selbst gar nicht Gastwirt werden wollen, gesteht Bohle. „Ich bin als Kind da reingewachsen, habe Eis verkauft, das es damals nur in den Gasthäusern gab, Geschirr gespült.“ Später, als Jugendlicher, kam die Zubereitung von Eierspeisen und des Strammen Max, eine Spezialität des Hauses, hinzu.

Wer in dieser Gaststätte einkehrt, erwartet keinen Schnickschnack. „Bei uns finden alle etwas, auch Menschen, die nicht so viel Geld haben“, betont Bohle. Getränke und Essen in einer urigen Kulisse zu bezahlbaren Preisen: Gäbe es das Idealbild eines typischen Gasthauses nicht, dann würde man hier fündig werden. Und das kommt an: An schönen Sommertagen ist die Terrasse unter dem alten Baumbestand mit Blick auf die Weserfähre voll besetzt. „Viele Motorradfahrer, aber auch immer mehr Radfahrer, die auf dem Weserradweg unterwegs sind, kehren bei uns ein“, sagt Andreas Bohle. Aktuell helfen ihm zwei Festangestellte und sechs bis sieben Aushilfskräfte.

Früher war das Gasthaus insbesondere bei Studenten sehr beliebt, sogar Altkanzler Gerhard Schröder, bekannter Absolvent der Göttinger Universität, soll hier regelmäßig eingekehrt sein, erzählt man sich. Für die Dorfbewohner Hemelns dient das Gasthaus heute noch als beliebter Treffpunkt: Skat- und Doppelkopfspieler sind hier noch nicht ausgestorben, auch wenn die Zahl der Kartenspieler gesunken ist. Vor allem im Winter finden auch kleinere Vereinsfeiern statt: „Der Männergesangverein wurde 1860 hier gegründet, demnach muss es schon vor der Übernahme durch die Großeltern ein Gasthaus gegeben haben“, sagt Bohle, der schätzt, dass das Haus um 1750 erbaut wurde.

Da es sich um das am tiefsten gelegene Haus im Dorf handele, sei es dreimal vom Hochwasser heimgesucht worden. Wie andere Gastwirte auf dem Dorf habe die Familie früher auch von der Landwirtschaft gelebt, erzählt Bohle. Im Laufe der Jahre sei die aber immer unwichtiger geworden und zugunsten der Gastwirtschaft zurückgetreten, bis man sie ganz aufgegeben habe.

Die Corona-Pandemie ist am Gasthaus „Zur Fähre“ nicht vorübergegangen: „Wir haben am 20. März die letzten drei Stammgäste nach Hause geschickt und dann am 11. Mai wieder aufgemacht“, erklärt Andreas Bohle. Während andere Restaurants einen Lieferservice einrichteten, verzichtete Bohle darauf. „Das hätte sich nicht rentiert“, sagt er. Da seine Terrasse viel Platz bietet, hat er mit den notwendigen Abständen bisher wenig Probleme. So kann man es wieder genießen, das lauschige Plätzchen am Fluss.